Kampf gegen Erschöpfung in der Bauindustrie

January 24, 2024
Von Greg Troxell_DE
Senior Risk Engineer, Construction, AXA XL
Die Baubranche ist weltweit für ihren grundlegenden Beitrag zum Aufbau der Infrastruktur und zur Stadtentwicklung bekannt, aber leider auch für die damit verbundenen Risiken. Während Gefahren wie herabfallende Gegenstände, Maschinenausfall und Einsturz von Bauwerken häufig diskutiert und durch entsprechende Gesetze geregelt werden, gibt es eine stille und allgegenwärtige Bedrohung, die häufig unbemerkt bleibt: Fatigue.
Unter Fatigue versteht man, vereinfacht ausgedrückt, den Zustand erhöhter geistiger und körperlicher Erschöpfung aufgrund unzureichender Erholung. Sie mag im Vergleich zu den offensichtlichen Gefahren auf einer Baustelle trivial erscheinen, aber ihre Folgen können katastrophal sein.
Warum ist Erschöpfung im Baugewerbe ein Problem?
Laut dem kürzlich vom National Safety Council veröffentlichten Bericht „“ (Fatigue in sicherheitskritischen Branchen – Auswirkungen, Risiken und Empfehlungen), der sich auf Umfragen in den USA stützt, wiesen 100 % der befragten Bauarbeiter mindestens einen der Risikofaktoren für Erschöpfung am Arbeitsplatz auf, was zu Gefahrensituationen auf der Baustelle führen und das Verletzungsrisiko erhöhen kann. Zu diesen Risikofaktoren gehören:
- Körperlich anstrengende Arbeit, insbesondere solche mit sich wiederholenden Aufgaben
- Ständige Kommunikation mit anderen Teammitgliedern über komplexe Aufgaben
- Lange Schichten von 10 Stunden oder mehr
- Arbeit von 50 Stunden oder mehr in einer Woche
- Schichten zu unregelmäßigen Zeiten, einschließlich Nachtarbeit oder Arbeit am frühen Morgen
- Weniger als 12 Stunden Erholungszeit zwischen den Schichten
Von den Arbeitgebern im Baugewerbe, die an der Umfrage teilnahmen, gaben 71 Prozent an, dass Schlafmangel von Arbeitskräften die Produktivität beeinträchtige, und 45 Prozent antworteten, dass Erschöpfung von Mitarbeitenden für sicherheitsrelevante Vorfälle verantwortlich sei.
In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass Erschöpfung die kognitiven Fähigkeiten des Gehirns beeinträchtigt. Dies kann zu einer eingeschränkten Entscheidungsfähigkeit führen. Ein übermüdeter Bauarbeiter braucht möglicherweise länger, um Informationen zu verarbeiten, übersieht wichtige Details oder trifft falsche Entscheidungen, die sowohl ihn als auch seine Kollegen gefährden können.
Erschöpfung führt häufig zu einer Verschlechterung der Koordinationsfähigkeit. Tatsächlich kann Müdigkeit ähnliche Auswirkungen haben wie Alkoholkonsum. Körperliche Aufgaben erfordern Präzision, vor allem auf dem Bau, wo ein Fehltritt zu schweren Verletzungen führen kann. Übermüdete Arbeiter verfügen über eine verminderte Hand-Augen-Koordination, verlangsamte Reflexe und haben möglicherweise Schwierigkeiten mit Aufgaben, die ihnen normalerweise leicht von der Hand gehen.
Es besteht auch das Risiko eines Sekundenschlafs. Hierbei handelt es sich um kurze, unwillkürliche Schlafphasen, die zwischen dem Bruchteil einer Sekunde und 10 Sekunden betragen können. Ein Arbeiter, der unter Sekundenschlaf leidet, weiß dies vielleicht nicht einmal, ist jedoch einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt.
Konsequenzen von Fatigue im Baugewerbe
Erschöpfung wird mit einem erheblichen Anstieg der Arbeitsunfälle in Verbindung gebracht. Die US-Behörde für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (OSHA) hat festgestellt, dass übermüdete Arbeiter eher zu Fehlern neigen, die zu Unfällen, Verletzungen und Todesfällen führen können.
Chronische Erschöpfung kann zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Magen-Darm-Probleme, Depressionen und ein geschwächtes Immunsystem.
Auch die wirtschaftlichen Kosten sind nicht zu unterschätzen. Unfälle führen zu Projektverzögerungen, Schadensersatzansprüchen, erhöhten Versicherungsprämien und möglichen Klagen. Ganz zu schweigen davon, dass der ständige Austausch oder die Ausbildung neuer Mitarbeitender aufgrund von müdigkeitsbedingten Fluktuationen teuer werden kann. Nach Angaben des National Safety Council (NSC) belaufen sich die versteckten Kosten im Zusammenhang mit Schlafmangel (Übermüdung der Arbeiter) in der Bauindustrie auf durchschnittlich 1,8 Millionen Dollar pro Jahr.
Aufgrund der Art der Tätigkeiten ist Erschöpfung im Baugewerbe weit verbreitet. Dazu gehören:
- Lange Arbeitszeiten: Bei Bauprojekten wird oft nach einem engen Zeitplan gearbeitet, was zu längeren Schichten oder geringeren Pausen führt. In manchen Ländern ist es nicht ungewöhnlich, dass Bauarbeiter 10-Stunden-Schichten und mehr übernehmen.
- Körperlich anstrengende Aufgaben: Aufgrund der körperlich anstrengenden Arbeit auf dem Bau müssen die Arbeitnehmer ständig Energie aufwenden, was zu einem früheren Einsetzen von Erschöpfung führen kann.
- Umweltfaktoren: Die Arbeit unter sengender Sonne oder in kalter Umgebung kann Erschöpfungszustände begünstigen. Diese Umweltstressoren verlangen dem Körper mehr ab und beschleunigen den Erschöpfungsprozess.
- Unzureichende Ruhezeiten: Hier geht es nicht nur um die Anzahl der geschlafenen Stunden. Auch die Qualität des Schlafs, die Häufigkeit der Pausen und die Möglichkeit, sich nach anstrengenden Aufgaben zu erholen, sind zu berücksichtigen.
Kampf gegen Erschöpfung: Schritte zu einem sichereren Arbeitsplatz
Für Bauunternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, gegen Erschöpfung ihrer Mitarbeiter vorzugehen, da sie erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit, die Produktivität und das Arbeitsumfeld hat. Wenn Bauunternehmen Erschöpfungsphänomene erkennen und ihnen durch eine angemessene Zeitplanung, ausreichende Pausen und Aufklärung über Schlafhygiene begegnen, können sie nicht nur die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden gewährleisten, sondern auch die Produktivität steigern und ein positives Arbeitsumfeld erhalten. Hier einige Beispiele:
Aufklärung: Arbeitnehmer und Vorgesetzte müssen über die Risiken von Erschöpfung geschult werden. Das Erkennen früher Anzeichen kann einen großen Unterschied ausmachen.
Regelmäßige Pausen: Sorgen Sie für regelmäßige Pausen, insbesondere bei langen Schichten oder extremen Wetterbedingungen. Diese Pausen können das Auftreten von Erschöpfungszuständen deutlich verringern.
Einschränkung aufeinanderfolgender Schichten: Achten Sie darauf, dass die Arbeiter nicht für zu viele aufeinander folgende Tage ohne angemessene Ruhezeiten eingeteilt werden. Je länger die ununterbrochene Arbeitsdauer ist, desto höher ist die kumulative Erschöpfung.
Gesunde Schlafgewohnheiten fördern: Fördern Sie gesunde Schlafgewohnheiten. Dies kann durch Informationen über die Bedeutung des Schlafs, Tipps für einen guten Schlaf oder auch durch die Bereitstellung von Ruhezonen für Arbeiter auf großen Baustellen geschehen.
Feedback: Feedback-Mechanismen können es den Arbeitnehmern auch ermöglichen, ihren Ermüdungsgrad mitzuteilen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Erschöpfung ein stilles, aber bedeutendes Risiko in der Bauindustrie darstellt. Sie zu erkennen, ihre Auswirkungen zu verstehen und proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um diesen entgegenzuwirken, ist entscheidend für die Sicherheit der Bauarbeiter.
Ein Sprichwort sagt: „Vorsicht ist besser als Nachsicht“. In der Welt des Bauwesens sind dies nicht nur Worte; es ist ein Mantra, das Leben retten kann.
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